Das Ostium primum besteht physiologischerweise in der Fetalentwicklung. Es ermöglicht einen atrialen Rechts-Links-Shunt, d.h. das Blut kann unter Umgehung des Lungenkreislauf aus dem rechten Vorhof in den linken Vorhof und von dort in den Körperkreislauf geleitet werden. Ein Persistieren des Ostium primums bis in die nachgeburtliche Phase ist jedoch krankhaft und kann zu hämodynamischen Störungen, zur Hypoxie und zur sekundären Kardiopathie führen. Diese Kondition wird als Ostium-primum-Defekt (OPD) bezeichnet.
Der OPD wird grundsätzlich als Atriumseptumdefekt gewertet, aber die zugrunde liegende Missbildung erstreckt sich in unterschiedlichem Maße bis zur Atrioventrikularebene oder gar über diese hinaus. Ein Drittel der Patienten leidet an einem reinen Atriumseptumdefekt, bei zwei Dritteln der Betroffenen sind zusätzliche Anomalien feststellbar [1]. In schweren Fällen besteht nicht nur ein atrialer Shunt, sondern regelmäßig auch eine Mitral- und Trikuspidalklappenanomalie sowie ein Ventrikelseptumdefekt [2] [3] [4].
Das klinische Bild gestaltet sich dabei so heterogen wie die Missbildungen des Herzens:
Das Alter der Patienten bei Erstmanifestation hängt stark davon ab, wie sehr die Herzfunktion, die Sauerstoffversorgung der Peripherie und schließlich auch der Gasaustausch in der Lunge durch den OPD gestört sind. Mitunter fällt bereits beim Neonaten eine Tachypnoe und Tachykardie auf, und bei minimaler Belastung - zum Beispiel beim Stillen - kommt es zu Schweißausbrüchen und einer Zyanose. Wird die Fehlbildung nicht korrigiert, stellen sich Verzögerungen in der körperlichen und geistigen Entwicklung des Kindes ein. In weniger schweren Fällen bleibt die Missbildung bis ins Erwachsenenalter unerkannt. Nicht selten werden asymptomatische OPD-Patienten erst im Rahmen einer bildgebenden Diagnostik identifiziert [4], die aus gänzlich anderen Gründen veranlasst wurde.
Zur Einschätzung der Herzfunktion ist eine kardiologische Untersuchung einschließlich der Aufzeichnung eines Elektrokardiogramms und der Visualisierung der Herzstrukturen mit Hilfe der Echokardiographie zu realisieren [6]. Weitere Verfahren, die sich zur Darstellung der Herzstrukturen eignen, sind die Magnetresonanz- und Computertomographie. Es ist zu beurteilen, ob allein das Vorhofseptum oder auch das Ventrikelseptum und die Segelklappen missgebildet sind, in welche Richtung wie viel Blut durch den OPD geleitet wird und ob sich schon sekundäre Herzschädigungen wie eine Dilatation der Ventrikel ausmachen lassen. Eine Herzkatheterisierung ist bei reinem Vorhofseptumdefekt meist nicht erforderlich, wird aber bei komplexeren Missbildungen empfohlen [7].